Das Balance Club / Culture Festival hätte vom 20. bis 24. Mai in Leipziger Clubs, Konzertorten und Off-Locations in Leipzig stattgefunden. Das interdisziplinäre Festival wäre mit über 30 Acts, und ebenso vielen Einzelveranstaltungen ein Ort für gemeinsame Ekstase und Reflexion gewesen, hätte ein Raum für Begegnungen ermöglicht, hätte neue Verbindungen geschaffen und bestehende lokale Netzwerke gestärkt. Wir hätten gemeinsam im Club getanzt und Acts entdeckt, die wir vorher noch nicht kannten. Wir hätten bei einem Bier oder einer Limo nach dem Vortrag dessen Inhalte mit unseren Freundinnen weiter diskutiert, in Workshops mutig Dinge ausprobiert, die für uns neu gewesen wären und uns von Künstlerinnen und ihrer Arbeit beeindrucken und verwirren lassen. Wir wären wissbegierig im Festivalzentrum gestartet, um das Kunst- und Diskursprogramm zu erkunden. Danach wären wir vorfreudig, aufgeregt und herausgeputzt in die Clubnächte gestartet. Der Abend hätte gehalten was er versprochen hat! Wir hätten uns durch das mehrtägige Programm des Festivals und durch die verschiedenen Formate treiben lassen. Wir hätten nach der Veranstaltung oder im Club vielleicht interessante Menschen kennengelernt und vielleicht auch ein bisschen rumgeknutscht. Nach drei heißen Clubnächten im IfZ mit Live-Acts und internationalen DJs, hätten wir es dann nur noch mit einem Konterbier zur Abschlussveranstaltung in die Pracht geschafft. Dort wäre uns die Musik für einen Sonntagnachmittag dann ein wenig zu experimentell gewesen. Aber nach kurzer Zeit hätten wir auch in diesen Sound gefunden und festgestellt, dass dies wohl die beste Art ist, einen Sonntag zu verbringen. In der Woche nach dem Festival, hätten wir dieses dann ein bisschen vermisst. Es hätte sich wie ein kleiner Liebeskummer angefühlt. Manche von uns hätten sich Zeit zum Auskatern genommen, andere wären gleich wieder in ihren Alltag gestartet. Nach ein paar Monaten hätten wir dann einen Flyer, ein Foto auf unserem Handy oder unser Festivalbändchen beim Aufräumen unseres Schreibtisches gefunden und uns an diese lauen Frühsommernächte zurück erinnert …
Wie wichtig unser diesjähriges Festivalmotto „TENDER SQUADS“ mit der Covid-19-Krise noch werden würde, war nicht vorherzusehen. Die Frage nach notwendigen Allianzen in der gegenwärtigen spätkapitalistischen Dystopie wurde für uns sowie für unsere eingeladenen Künstler*innen und kooperierenden Veranstaltungsorte essentiell.
Das Balance Festival ist ein Community-Event. „TENDER SQUADS“ heißt deshalb natürlich auch, dass wir eine Lösung erarbeiten mussten, um unsere Kulturförderungen zu erhalten und die beteiligten Künstlerinnen, Theoretikerinnen und ja, auch uns, weiterhin zu bezahlen. Und auch wenn das Erlebnis im Club unnachahmbar ist und du dein vormals heiß geliebtes Internet jetzt schon nicht mehr sehen kannst, wird auch unser Festival als Webversion an den Start gehen.
Vom 20. bis 24.05. gibt es auf unserer Webseite Dj-Sets, Vorträge, Multimedia-Texte, Workshops, Artist-Talks, künstlerische Fashion-Pieces und Audio-visuelle Arbeiten. Zum krönenden Abschluss veröffentlichen wir am Festivalsonntag unseren Balance-Sampler “Various Artists – Tender Squads” und erfüllen uns zugegebenermaßen selbst einen Herzenswunsch.
Alle Beiträge verhandeln weiterhin die Frage danach, in welchen Verbindungen und Allianzen sich emanzipatorische Potentiale entfalten können, welche Allianzen wir eingehen wollen und wo wir auf Differenzen beharren müssen, damit unsere Gegenentwürfe wirksam werden können. Welche Form von (feministischer) Fürsorge und Dialogbereitschaft brauchen wir gerade jetzt füreinander? Gemeinsam mit euch möchten wir, dringender denn je, heraus finden, wie wir strukturelle Ungleichheiten maximal destabilisiert können.
Balance ist jetzt also “just another online festival” und ist es nicht. Balance bleibt auch im unbegrenzten Web eine Plattform für Diskurse vor Ort. Diesen Ort müssen wir uns nur jetzt anders erschaffen. Die Web-Edition des Festivals bildet eine digitale Brücke zwischen uns allen.
Das Balance Club / Culture Festival versteht sich als Schnittstelle von Clubkultur und Gesellschaftskritik. Das Festivalprogramm 2020 bleibt gegliedert in die Thementage „RAVE CAPITALISM”, „HARDER, FASTER, FRAGILE” und „FORUM ALLYSHIP”. Das Online Festival ist für euch kostenlos, wir freuen uns allerdings, wenn ihr uns mit dem Kauf eines Solitickets unterstützt. Wir freuen uns auf euer Feedback.
Bildet Banden! Bleibt solidarisch! Leave no one behind!
Eure Balance-Crew